Wikinger sind medial je eher weniger präsent,
beziehungsweise recht unterrepräsentiert. Was schade ist, denn Wikinger, da sind
wir uns doch alle einig, sind cool. Diese bärtigen, raubeinigen Skandinavier,
die tagtäglich literweise schmierig-dickflüssige und vor allem stark
alkoholische Gebräue in sich hineinkippten, Teufel der baltischen See,
brandschatzend und plündernd den Küsten entlang zogen und so manche armen Tropf
um sein holdes Weib erleichterten. Ich werde ja ganz romantisch, aber es ist
nun mal so, Wikinger sind cool. Und dennoch bekommen wir als Konsumenten von
Filmen, Serien oder allerlei anderen Medienerzeugnissen nicht viel von diesem
Völkchen zu sehen. Immer wieder gibt es die klassischen, zeitgenössischen
period pieces aus den 20er bis 80er Jahren, dann mal wieder verschrobene
Mittelalterthemen, mal was wie ein Western aussieht, dann vielleicht ein wenig Antike oder schlicht und einfach
Fantasy. Versteht mich nicht falsch, ich finde das toll. Diese Genres haben
großartige Sachen hervorgebracht, auf die es sich an dieser Stelle nicht lohnt
genauer darauf einzugehen, weil es definitiv den Rahmen sprengen würde. Mein
Punkt liegt aber weiterhin bei den Wikingern. Von denen hat man nämlich bis
dato auf der großen Leinwand, im TV, im Netz oder wo auch immer noch nicht
sehr viel gesehen.
Umso schöner (und jetzt wird diese ausufernde Einleitung zum
wahren Prunkstück und perfiden Kniff zugleich), dass sich ein amerikanischen
Fernsehsender endlich dieser Thematik angenommen und sich dabei auch noch
ziemlich gut angestellt hat. Und dieser Sender ist kein geringerer als der
ehemalige History Channel, welcher jetzt nur noch kurz History genannt wird. Es hat
vielleicht mit dieser Welle der Ambition in puncto Eigenproduktion zu tun,
welche gerade durch den Vereinigten Staaten von Amerika schwappt (prominentestes
Beispiel der jüngsten Zeit ist hier Netflix). Wie dem auch so, History wagte
sich vor geraumer Zeit an ein spannendes Projekt, welches sich eben um jene
kantigen Nordmänner drehen sollte, von denen ich und bestimmt auch viele andere
gerne mal etwas mehr sehen würden. Vikings sollte die neue Serie heißen, schön
einfach, ein neues und vielleicht sogar neuartiges historical drama am
amerikanischen Serienhimmel.
Nun ist es ja so, dass gerade die Kombination historical und
drama sich als äußerst produktions- als auch kostenintensiv darstellen kann.
Historical zum einen, weil man dementsprechend Kostüme, Sets, Ausstattung, kurz
die generelle Authentizität gewährleisten muss, was kostspielig, aber absolut
notwendig ist, um das Publikum zu überzeugen und zu fesseln. Drama hingegen
bedeutet genau das, was es heißt: Drama. Oder Dramaturgie. Und wenn es
funktionieren soll, dann bitte auch gut. Spannende, gutgeschrieben Drehbüchern,
originelle Ideen und ein wenig schöpferischer Mut. Nimmt man diese beiden
Aspekte, kann sich ein derartig ambitioniertes Projekt als wahre Mammutaufgabe
präsentieren. Doch wem erzähle ich das, so läuft es in diesem Geschäft seit
Jahrzehnten.
Daher freut es mich, dass History mit Vikings anscheinend
eben jene beiden Aspekte berücksichtig hat und mit der Pilotfolge unter dem ambivalenten Titel Rites of Passage einen sehr gelungenen Einstieg in ihr neues
Projekt feiern konnte. Gleichgesinnte, jubelt, es sieht so aus als bekäme man
hier eine viel versprechende Serie über Wikinger. Ist das was?
Die Pilotfolge mutet sogleich recht mystisch und (wie man so
schön neudeutsch sagt) gritty an. Unser Protagonist trägt den brachialen Namen
Ragnar Lodbrok (historisch seines Zeichens laut Wikipedia „a Norse legendary hero from the Viking Age“, womit man schon ein wenig erahnen kann, in welche
Richtung sich Vikings entwickeln könnte bzw. wird) und wird als äußerst fähiger
Kämpfer eingeführt. Dabei sparen die Macher nicht nur mit einer guten
Kampfchoreographie, man bekommt sogar ordentlich Blut und dementsprechend nordmännische Brutalität zu sehen, was wiederum der Authentizität der Serie zu
Gute kommt. Doch darf man diese keinesfalls nur auf ein paar blutige
Kampfszenen reduzieren, in Vikings wird von Anfang an deutlich, dass man sich
(und das sollte man vom History Channel auch erwarten, oder?) ausgiebig mit der
Thematik beschäftig und demzufolge tolle Kulissen als auch überzeugende
Ausstattung bereitgestellt hat.
In Rites of Passage wird sofort erkennbar, dass Vikings
sich voraussichtlich größtenteils auf unsere Hauptfigur Ragnar konzentrieren
wird. Der blauäugig-blonde Wikinger scheint große Ambitionen zu haben, doch
dazu später mehr. Zu Beginn wird Ragnar’s Familie kurz eingeführt, darunter
auch sein zwölfjähriger Sohn, mit dem er sich alsbald auf den Weg in Richtung
einer größeren Wikingerstadt macht, in welcher zum einen der Sprössling zum
Mann gemacht werden soll und zum anderen der Oberchef des Wikinger-Völkchens seine
Mannen zu sich gerufen hat, um über die bevorstehenden Raubzüge im Sommer zu informieren.
Jedoch scheint sich Ragnar nicht ganz mit der Idee anfreunden zu können zum wiederholten Male die
östlichen Gefilde unsicher zu machen. Er ist viel mehr davon fasziniert gen
sagenumwobenen Westen aufzubrechen, wo Reichtümer und Ruhm auf ihn warten. Es knistert
gewaltig zwischen ihm und Anführer Earl Haraldson. Letzterer ist nicht
besonders von Ragnars aufmüpfigen Verhalten angetan. Doch wir können stark
davon ausgehen, dass Ragnar diesen Sommer wohl nicht nach Osten segeln wird…
Wie bereits erwähnt, Vikings sieht so aus wie eine Serie von
diesem Schlag auszusehen hat: es wirkt dreckig, es wird nordisch-grau und kühl,
bärtige Männer in Fell und Leder gekleidet sind zu sehen, man bekommt einen Einblick ins
raue Wikinger-Leben, Vikings macht in Sachen Außendarstellung alles richtig.
Über das schauspielerische Vermögen lässt sich nur aufgrund der Pilotfolge
nicht viel sagen, außer dass es äußerst solide und überzeugend ist. Der eher
unbekannte australische Schauspieler Travis Fimmel, welche Ragnar Lodbrok
verkörpert, macht einen ordentlichen Eindruck und lässt ihn mich gut als
Zugpferd für diese Serie vorstellen. Stark ist natürlich auch der Auftritt von
Gabriel Byrne als Wikinger-Lord Earl Haraldson, schon deutlich bekannter und eine sehr namenhafte Besetzung als
Ragnars potentieller Gegenspieler in den eigenen Reihen. Byrne zeigt in seinen wenigen Momenten schon, zu was er schauspielerisch im Stande ist und macht definitiv Lust auf mehr. Kurz erwähnt
seien noch Katheryn Winnick, welche Ragnars Frau Lagertha spielt und nicht nur gut
aussieht, sondern auch recht tödlich sein kann; Clive Standen, hier Ragnars Bruder
Rollo, welcher anscheinend eine nicht zu unterschätzende Vorgeschichte mit der
Frau seines Bruders hat, was weiteres Konfliktpotential schürt; und
schlussendlich noch Gustaf Skarsgård als eher bizzarer Schiffsbaumeister Floki, und
ja, Skarsgård, ein weiterer Abkömmling der schwedischen
Schauspielerfamilie.
Was man Vikings vielleicht ankreiden kann, ist der Versuch,
die Pilotfolge mit arg vielen verschiedenen möglichen plot lines voll zu packen. Wo man
auch hinsieht, es riecht nach Stunk. Doch ist es nicht unüblich geworden gerade
Pilotfolgen dermaßen zu füllen, um den Zuschauer sofort zu überzeugen und
neugierig zu machen. Ansonsten wirkt es stellenweise noch ein wenig behäbig, da
Vikings eher gemütlich startet und mehr ankündigt als es im Endeffekt zeigt. Letztendlich
bedient Rites of Passage sämtliche Kriterien, die ein Pilot bedienen sollte.
Man scheut sich vor einem vielleicht eher experimentelleren Einstieg, was
einerseits auch verständlich ist, berücksichtigt man den Umstand, dass dieses
Projekt auch für History der erste richtige Abstecher in den Bereich der seriellen
Eigenproduktion ist.
Dafür muss man die Schöpfer jedoch loben: Eine wirklich
überzeugende und sehenswerte Besetzung, passende Ausstattung und authentische Produktionswerte
(unter anderem von denjenigen produziert, welche auch schon bei The Tudors oder
The Borgias mitgewerkelt haben) sowie eine interessante Prämisse und vor allem
ein recht einzigartiger Rahmen: Rites of Passage funktioniert als sehr gelungene Einführung einer Serie, welche sich mit der Zeit als sehr gut herausstellen
könnte. Die Kritiken aus Übersee sind auf jeden Fall schon einmal positiv. Und wenn jetzt noch dieser Text
überzeugend genug war, dann riskiert doch mal einen Blick. Thematisch mal was
Neues. Ich bleibe auf jeden Fall dran, denn zugegeben, ich bin schon ein wenig
am Haken. Wikinger halt. Das gibt es nicht alle Tage.
Und weil alle Welt Trailer mag: ein Trailer.
Vikings läuft seit 3. März 2013 immer sonntags auf History. Die erste Staffel wird bis dato 9 Episoden umfassen.
Vikings läuft seit 3. März 2013 immer sonntags auf History. Die erste Staffel wird bis dato 9 Episoden umfassen.