Donnerstag, 7. November 2013

TV-Mini-Serie: Top of the Lake


Die neuseeländische TV-Miniserie Top of the Lake feierte nicht nur auf diversen Film-Festivals dieses Jahres ihre große Premiere, darunter das Sundance Film Festival und die Berlinale 2013, auch die internationale TV-Ausstrahlung der siebenteiligen (bzw. sechsteiligen) Kriminal-Serie konnte viel Kritikerlob einheimsen. Zu Recht, denn schaffen es Serienschöpfer Jane Campion und Gerard Lee nicht nur eine spannende und geheimnisvolle Geschichte zu erzählen, ihnen gelingt es auch einen packenden Mikrokosmos rund um das kleine neuseeländische Städtchen Laketop und seine Bewohner zu kreieren, welcher wiederum nur einer von vielen Gründen ist, warum sich Top of the Lake von den altbekannten Serien-Einheitsbrei klar abhebt.

In Top of the Lake dreht sich anfangs alles um das 12jährige Mädchen Tui, von dessen Selbstmordversuch wir bereits in der ersten Episode des Formats Zeuge werden. Nach der Rettung des äußerst stillen und verschlossenen Mädchens wird die Polizeibeamtin Robin Wright (Elisabeth Moss, Mad Men) zu Rate gezogen, welche eigentlich in Sydney tätig ist und nur in ihre Heimatstadt Laketop zurückgekehrt ist, um bei ihren schwerkranken Mutter zu sein. Wright ist Expertin im Umgang mit traumatisierten Kindern, welche Opfer von Gewalt wurden, und sogleich beginnt sie auch die Ermittlung bezüglich Tui und dem Geheimnis, welches diese umgibt, denn wie sich herausstellt ist die junge Tui bereits im fünften Monat schwanger. Wright vermutet das Schlimmste. Bei ihren Nachforschungen muss sie sich nicht nur mit dubiosen Arbeitskollegen, darunter auch dem örtlichen Polizeichef Al Parker (David Wenham), sowie dem Vater von Tui und heimlichen Strippenzieher illegaler Geschäfte in Laketop Matt Mitcham (Peter Mullan) herumschlagen, sie taucht auch in eine Welt ein, welcher sie bereits vor langer Zeit den Rücken gekehrt hatte und eigentlich nie wieder betreten wollte… 

Eine der großen Stärken von Top of the Lake ist ohne Frage das unverbrauchte Setting. Jane Campion und Gerard Lee entführen den Zuschauer in eine für ihn relativ unbekannte Welt, fernab bekannter amerikanischer Großstädte, die in den letzten Jahren immer wieder als Schauplätze für TV-Serien herhalten mussten. In Top of the Lake wird einem die Natürlichkeit Neuseelands von ihrer schönsten Seite gezeigt, lange Helikopteraufnahmen fangen die Unberührtheit als auch Zurückgezogenheit des Terrains großartig ein, und mehr als nur einmal fühlt man sich an die wunderschönen Aufnahmen Peter Jackson aus seiner The Lord of the Rings-Trilogie erinnert. Darüber hinaus arbeitet Top of the Lake mit einer sehr kühlen Bildsprache, welche passend zum Thema der Miniserie die oft sehr unangenehme und geheimnisvolle Atmosphäre der Serie untermauert und visuell in jeder Hinsicht zu überzeugen weiß.

Betrachtet man den dramaturgischen Aspekt von Top of the Lake, wird auch hier schnell auffällig, dass sich Serienmacher an einer sehr ruhigen und oft behäbig wirkenden Erzählweise orientiert haben. Dies passt natürlich ins Gesamtkonzept, doch wäre es auch nicht verwunderlich, wenn der eine oder andere Zuschauer seine Probleme mit dem schleichenden Erzähltempo hätte. Top of the Lake nimmt sich all die Zeit, die die Serie braucht, und dabei wird nicht nur der Hauptfall rund um das kleine Mädchen Tui vorangetrieben, sondern auch ein genauer Blick auf die Protagonistin Robin Wright geworfen. Campion und Lee gehen sogar so weit, dass sie die eigentliche Hauptgeschichte auf der Hälfte der Strecke vernachlässigen und sich voll und ganz Wright und ihrer Hintergrundgeschichte widmen. Das mag auf den ersten Blick ein wenig befremdlich wirken, doch gelingt es den Autoren auch auf starke und eindringliche Weise, die verschieden Handlungsstränge zu verbinden, für den Zuschauer frei interpretierbare Metaphern und Analogien bereitzustellen, als auch mit so mancher schockierender Enthüllung aufzuwarten, welche durch Mark und Bein gehen und einen gespannt die Handlung weiterverfolgen lassen.

Mit verantwortlich dafür sind natürlich auch die einzelnen Darsteller in Top of the Lake, wobei Hauptdarstellerin Elisabeth Moss wohl am meisten auftrumpfen kann. Moss gehört spätestens seit ihrer Rolle der Peggy Olson in Mad Men zu den talentiertesten Schauspielerinnen im Serien-Geschäft, und auch in Top of the Lake liefert sie eine teilweise überragende Leistung ab. Für Moss scheint es wie ein Kinderspiel, die Zielstrebigkeit als auch Unsicherheit ihrer Figur wiederzugeben. Mit jeder weiteren Entwicklung, die ihr Charakter durchmacht, entwickelt auch Moss ihr Schauspiel weiter, sodass wir als Zuschauer nicht nur vollends von der Stärke Robin Wrights, sondern auch von ihrer Verletzlichkeit überzeugt sind. So verwundert es auch keinesfalls, dass Moss für ihre Darbietung in Top of the Lake eine Nominierung für den diesjährigen Emmy-Award im Bereich der besten weiblichen Hauptdarstellerin erhalten hat. Doch auch die Nebendarsteller wissen zu überzeugen. Das schließt nicht nur die junge Jacquelin Joe in der Rolle der Tui ein, sondern zum Beispiel auch Peter Mullan, welcher sich ebenfalls über eine Emmy-Award-Nominierung für den besten männlichen Nebendarsteller freuen durfte. Mullan verkörpert Tuis Vater Matt Mitchum, dessen psychopathischen Ausbrüche und unheimlichen Charakterzüge der schottische Schauspieler Mullan gekonnt wiedergibt. Ebenso nachhaltig kann sich der in Australien geborenen David Wenham, bekannt aus The Lord of the Rings oder 300, präsentieren. Seine Figur des Polizeichefs Al Parker umgibt wie fast jeden in Laketop etwas Geheimnisvolles. So richtig trauen möchte man ihm nicht, und doch fügt Wenham seinem Charakter einen gewissen Charme zu, welcher es selbst Hauptfigur Robin Wright schwer macht, ihn richtig einzuschätzen.

Natürlich ist in Top of the Lake nicht alles Gold was glänzt. So dreht sich die komplizierteste Nebengeschichte in Top of the Lake um eine Gruppe von Frauen, welche in der Nähe von Laketop an einem Ort namens Paradise ihr Lager aufgeschlagen haben. Diese Frauen werden von der bis zur Unkenntlichkeit mit Make-Up und Prosthetics bearbeiteten Holly Hunter angeführt und befinden sich augenscheinlich auf einem spirituellen Trip, der sie von all dem lösen soll, was sie in ihrem bisherigen Leben belastet und runtergezogen hat. Immer wieder kehren wir zu dieser Gruppe von Frauen zurück, immer wieder treffen die einzelnen Charaktere auf diese etwas seltsam anmutende Gesellschaft. Campion und Lee lassen dem Zuschauer hinsichtlich dieses Elements ihrer Serie viel Freiraum zur Interpretation, immer wieder ertappt man sich bei dem Versuch, diesen Aspekt mit dem Gesamtkonstrukt von Top of the Lake in Verbindung zu setzen. Doch ist dies oft weitaus schwerer als man denken würde, unter anderem aufgrund sehr doppeldeutiger und kryptischer Dialoge. Dies kann wiederum abschrecken und verwirrend sein, doch entpuppt es sich auch als ein sehr einzigartiges und oft äußerst tiefsinniges Charakteristikum von Top of the Lake.

So bleibt am Ende nur noch zu sagen, dass die Neuseeländerin Jane Campion und der Australier Gerard Lee mit Top of the Lake vor allen Dingen etwas sehr Eigenes geschaffen haben. Die Szenerie, die Charaktere, der gelegentlich schwer verständliche neuseeländische Akzent, dass alles und viel mehr trägt zu der Einzigartigkeit von Top of the Lake bei. Es ist ein ruhiges, unspektakuläres Format, das den Zuschauer Folge für Folge immer mehr in seinen Bann zieht. Man taucht tief in die Umgebung des Orts Laketop als auch in die Gedankenwelt der einzelnen Figuren, allen voran der von Elisabeth Moss’ Robin Wright, ein. Top of the Lake baut nicht auf Effekthascherei, es ist eine konsequente und bodenständige Serie, die genau in den richtigen Momenten das Tempo anzuziehen und den Zuschauer schwer verdauliche Überraschungen zu präsentieren weiß. Die Miniserie wird wahrscheinlich nicht als Meisterwerk in die Fernsehgeschichte eingehen, doch ist es ohne Frage ein sehr sehenswertes als auch originelles Format, welches nicht zu Unrecht in sechs bzw. acht (zählt man die Creative Arts Emmy Award dazu) Kategorien bei der diesjährigen Emmy-Verleihung im September nominiert wurde.  

(Und wer Lucy "Xena" Lawless wiedererkennt, bekommt ein Extra-Sternchen von mir.)

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Am 07. November zeigt der deutsch-französische Sender ARTE ab 20:15 Uhr die ersten drei Folgen von Top of the Lake, eine Woche später am 14. November folgen dann zur selben Zeit die restlichen drei Episoden. ARTE übernimmt hier dieselben Schnittfassungen, welche bereits im Juli bzw. August dieses Jahres von BBC Two in Großbritannien ausgestrahlt wurden. Die siebenteilige Fassung wurde in dieser Form z.B. auf dem Sundance Filmfestival gezeigt. Jedoch nehmen sich beide Fassungen inhaltlich nichts. 

Wenn ihr es euch anschaut, dann lasst mich doch bitte wissen, wie euch Top of the Lake gefallen hat. Eure Meinung, eure Kritik (auch an meinem Beitrag), euer Feedback bitte in den Kommentarbereich.

Trailer Top of the Lake