Freitag, 8. März 2013

Vikings


Wikinger sind medial je eher weniger präsent, beziehungsweise recht unterrepräsentiert. Was schade ist, denn Wikinger, da sind wir uns doch alle einig, sind cool. Diese bärtigen, raubeinigen Skandinavier, die tagtäglich literweise schmierig-dickflüssige und vor allem stark alkoholische Gebräue in sich hineinkippten, Teufel der baltischen See, brandschatzend und plündernd den Küsten entlang zogen und so manche armen Tropf um sein holdes Weib erleichterten. Ich werde ja ganz romantisch, aber es ist nun mal so, Wikinger sind cool. Und dennoch bekommen wir als Konsumenten von Filmen, Serien oder allerlei anderen Medienerzeugnissen nicht viel von diesem Völkchen zu sehen. Immer wieder gibt es die klassischen, zeitgenössischen period pieces aus den 20er bis 80er Jahren, dann mal wieder verschrobene Mittelalterthemen, mal was wie ein Western aussieht, dann vielleicht ein wenig Antike oder schlicht und einfach Fantasy. Versteht mich nicht falsch, ich finde das toll. Diese Genres haben großartige Sachen hervorgebracht, auf die es sich an dieser Stelle nicht lohnt genauer darauf einzugehen, weil es definitiv den Rahmen sprengen würde. Mein Punkt liegt aber weiterhin bei den Wikingern. Von denen hat man nämlich bis dato auf der großen Leinwand, im TV, im Netz oder wo auch immer noch nicht sehr viel gesehen.

Umso schöner (und jetzt wird diese ausufernde Einleitung zum wahren Prunkstück und perfiden Kniff zugleich), dass sich ein amerikanischen Fernsehsender endlich dieser Thematik angenommen und sich dabei auch noch ziemlich gut angestellt hat. Und dieser Sender ist kein geringerer als der ehemalige History Channel, welcher jetzt nur noch kurz History genannt wird. Es hat vielleicht mit dieser Welle der Ambition in puncto Eigenproduktion zu tun, welche gerade durch den Vereinigten Staaten von Amerika schwappt (prominentestes Beispiel der jüngsten Zeit ist hier Netflix). Wie dem auch so, History wagte sich vor geraumer Zeit an ein spannendes Projekt, welches sich eben um jene kantigen Nordmänner drehen sollte, von denen ich und bestimmt auch viele andere gerne mal etwas mehr sehen würden. Vikings sollte die neue Serie heißen, schön einfach, ein neues und vielleicht sogar neuartiges historical drama am amerikanischen Serienhimmel.

Nun ist es ja so, dass gerade die Kombination historical und drama sich als äußerst produktions- als auch kostenintensiv darstellen kann. Historical zum einen, weil man dementsprechend Kostüme, Sets, Ausstattung, kurz die generelle Authentizität gewährleisten muss, was kostspielig, aber absolut notwendig ist, um das Publikum zu überzeugen und zu fesseln. Drama hingegen bedeutet genau das, was es heißt: Drama. Oder Dramaturgie. Und wenn es funktionieren soll, dann bitte auch gut. Spannende, gutgeschrieben Drehbüchern, originelle Ideen und ein wenig schöpferischer Mut. Nimmt man diese beiden Aspekte, kann sich ein derartig ambitioniertes Projekt als wahre Mammutaufgabe präsentieren. Doch wem erzähle ich das, so läuft es in diesem Geschäft seit Jahrzehnten.

Daher freut es mich, dass History mit Vikings anscheinend eben jene beiden Aspekte berücksichtig hat und mit der Pilotfolge unter dem ambivalenten Titel Rites of Passage einen sehr gelungenen Einstieg in ihr neues Projekt feiern konnte. Gleichgesinnte, jubelt, es sieht so aus als bekäme man hier eine viel versprechende Serie über Wikinger. Ist das was?

Die Pilotfolge mutet sogleich recht mystisch und (wie man so schön neudeutsch sagt) gritty an. Unser Protagonist trägt den brachialen Namen Ragnar Lodbrok (historisch seines Zeichens laut Wikipedia „a Norse legendary hero from the Viking Age, womit man schon ein wenig erahnen kann, in welche Richtung sich Vikings entwickeln könnte bzw. wird) und wird als äußerst fähiger Kämpfer eingeführt. Dabei sparen die Macher nicht nur mit einer guten Kampfchoreographie, man bekommt sogar ordentlich Blut und dementsprechend nordmännische Brutalität zu sehen, was wiederum der Authentizität der Serie zu Gute kommt. Doch darf man diese keinesfalls nur auf ein paar blutige Kampfszenen reduzieren, in Vikings wird von Anfang an deutlich, dass man sich (und das sollte man vom History Channel auch erwarten, oder?) ausgiebig mit der Thematik beschäftig und demzufolge tolle Kulissen als auch überzeugende Ausstattung bereitgestellt hat.

In Rites of Passage wird sofort erkennbar, dass Vikings sich voraussichtlich größtenteils auf unsere Hauptfigur Ragnar konzentrieren wird. Der blauäugig-blonde Wikinger scheint große Ambitionen zu haben, doch dazu später mehr. Zu Beginn wird Ragnar’s Familie kurz eingeführt, darunter auch sein zwölfjähriger Sohn, mit dem er sich alsbald auf den Weg in Richtung einer größeren Wikingerstadt macht, in welcher zum einen der Sprössling zum Mann gemacht werden soll und zum anderen der Oberchef des Wikinger-Völkchens seine Mannen zu sich gerufen hat, um über die bevorstehenden Raubzüge im Sommer zu informieren. Jedoch scheint sich Ragnar nicht ganz mit der Idee anfreunden zu können zum wiederholten Male die östlichen Gefilde unsicher zu machen. Er ist viel mehr davon fasziniert gen sagenumwobenen Westen aufzubrechen, wo Reichtümer und Ruhm auf ihn warten. Es knistert gewaltig zwischen ihm und Anführer Earl Haraldson. Letzterer ist nicht besonders von Ragnars aufmüpfigen Verhalten angetan. Doch wir können stark davon ausgehen, dass Ragnar diesen Sommer wohl nicht nach Osten segeln wird…

Wie bereits erwähnt, Vikings sieht so aus wie eine Serie von diesem Schlag auszusehen hat: es wirkt dreckig, es wird nordisch-grau und kühl, bärtige Männer in Fell und Leder gekleidet sind zu sehen, man bekommt einen Einblick ins raue Wikinger-Leben, Vikings macht in Sachen Außendarstellung alles richtig. Über das schauspielerische Vermögen lässt sich nur aufgrund der Pilotfolge nicht viel sagen, außer dass es äußerst solide und überzeugend ist. Der eher unbekannte australische Schauspieler Travis Fimmel, welche Ragnar Lodbrok verkörpert, macht einen ordentlichen Eindruck und lässt ihn mich gut als Zugpferd für diese Serie vorstellen. Stark ist natürlich auch der Auftritt von Gabriel Byrne als Wikinger-Lord Earl Haraldson, schon deutlich bekannter und eine sehr namenhafte Besetzung als Ragnars potentieller Gegenspieler in den eigenen Reihen. Byrne zeigt in seinen wenigen Momenten schon, zu was er schauspielerisch im Stande ist und macht definitiv Lust auf mehr. Kurz erwähnt seien noch Katheryn Winnick, welche Ragnars Frau Lagertha spielt und nicht nur gut aussieht, sondern auch recht tödlich sein kann; Clive Standen, hier Ragnars Bruder Rollo, welcher anscheinend eine nicht zu unterschätzende Vorgeschichte mit der Frau seines Bruders hat, was weiteres Konfliktpotential schürt; und schlussendlich noch Gustaf Skarsgård als eher bizzarer Schiffsbaumeister Floki, und ja, Skarsgård, ein weiterer Abkömmling der schwedischen Schauspielerfamilie.  

Was man Vikings vielleicht ankreiden kann, ist der Versuch, die Pilotfolge mit arg vielen verschiedenen möglichen plot lines voll zu packen. Wo man auch hinsieht, es riecht nach Stunk. Doch ist es nicht unüblich geworden gerade Pilotfolgen dermaßen zu füllen, um den Zuschauer sofort zu überzeugen und neugierig zu machen. Ansonsten wirkt es stellenweise noch ein wenig behäbig, da Vikings eher gemütlich startet und mehr ankündigt als es im Endeffekt zeigt. Letztendlich bedient Rites of Passage sämtliche Kriterien, die ein Pilot bedienen sollte. Man scheut sich vor einem vielleicht eher experimentelleren Einstieg, was einerseits auch verständlich ist, berücksichtigt man den Umstand, dass dieses Projekt auch für History der erste richtige Abstecher in den Bereich der seriellen Eigenproduktion ist.

Dafür muss man die Schöpfer jedoch loben: Eine wirklich überzeugende und sehenswerte Besetzung, passende Ausstattung und authentische Produktionswerte (unter anderem von denjenigen produziert, welche auch schon bei The Tudors oder The Borgias mitgewerkelt haben) sowie eine interessante Prämisse und vor allem ein recht einzigartiger Rahmen: Rites of Passage funktioniert als sehr gelungene Einführung einer Serie, welche sich mit der Zeit als sehr gut herausstellen könnte. Die Kritiken aus Übersee sind auf jeden Fall schon einmal positiv. Und wenn jetzt noch dieser Text überzeugend genug war, dann riskiert doch mal einen Blick. Thematisch mal was Neues. Ich bleibe auf jeden Fall dran, denn zugegeben, ich bin schon ein wenig am Haken. Wikinger halt. Das gibt es nicht alle Tage.      

Und weil alle Welt Trailer mag: ein Trailer. 


Vikings läuft seit 3. März 2013 immer sonntags auf History. Die erste Staffel wird bis dato 9 Episoden umfassen.