Die neuseeländische TV-Miniserie Top
of the Lake feierte nicht nur auf diversen Film-Festivals dieses Jahres
ihre große Premiere, darunter das Sundance Film Festival und die Berlinale
2013, auch die internationale TV-Ausstrahlung der siebenteiligen (bzw. sechsteiligen) Kriminal-Serie
konnte viel Kritikerlob einheimsen. Zu Recht, denn schaffen es Serienschöpfer
Jane Campion und Gerard Lee nicht nur eine spannende und geheimnisvolle
Geschichte zu erzählen, ihnen gelingt es auch einen packenden Mikrokosmos rund
um das kleine neuseeländische Städtchen Laketop und seine Bewohner zu kreieren,
welcher wiederum nur einer von vielen Gründen ist, warum sich Top of the Lake von den altbekannten
Serien-Einheitsbrei klar abhebt.
In Top of the Lake dreht sich anfangs alles um das 12jährige Mädchen
Tui, von dessen Selbstmordversuch wir bereits in der ersten Episode des Formats
Zeuge werden. Nach der Rettung des äußerst stillen und verschlossenen Mädchens
wird die Polizeibeamtin Robin Wright (Elisabeth Moss, Mad Men) zu Rate gezogen,
welche eigentlich in Sydney tätig ist und nur in ihre Heimatstadt Laketop
zurückgekehrt ist, um bei ihren schwerkranken Mutter zu sein. Wright ist
Expertin im Umgang mit traumatisierten Kindern, welche Opfer von Gewalt wurden,
und sogleich beginnt sie auch die Ermittlung bezüglich Tui und dem Geheimnis,
welches diese umgibt, denn wie sich herausstellt ist die junge Tui bereits im
fünften Monat schwanger. Wright vermutet das Schlimmste. Bei ihren
Nachforschungen muss sie sich nicht nur mit dubiosen Arbeitskollegen, darunter
auch dem örtlichen Polizeichef Al Parker (David Wenham), sowie dem Vater von
Tui und heimlichen Strippenzieher illegaler Geschäfte in Laketop Matt Mitcham
(Peter Mullan) herumschlagen, sie taucht auch in eine Welt ein, welcher sie
bereits vor langer Zeit den Rücken gekehrt hatte und eigentlich nie wieder
betreten wollte…
Eine der großen Stärken von Top of the Lake ist ohne Frage das
unverbrauchte Setting. Jane Campion und Gerard Lee entführen den Zuschauer in
eine für ihn relativ unbekannte Welt, fernab bekannter amerikanischer
Großstädte, die in den letzten Jahren immer wieder als Schauplätze für
TV-Serien herhalten mussten. In Top of
the Lake wird einem die Natürlichkeit Neuseelands von ihrer schönsten Seite
gezeigt, lange Helikopteraufnahmen fangen die Unberührtheit als auch
Zurückgezogenheit des Terrains großartig ein, und mehr als nur einmal fühlt man
sich an die wunderschönen Aufnahmen Peter Jackson aus seiner The Lord of the Rings-Trilogie erinnert.
Darüber hinaus arbeitet Top of the Lake
mit einer sehr kühlen Bildsprache, welche passend zum Thema der Miniserie die
oft sehr unangenehme und geheimnisvolle Atmosphäre der Serie untermauert und
visuell in jeder Hinsicht zu überzeugen weiß.
Betrachtet man den
dramaturgischen Aspekt von Top of the
Lake, wird auch hier schnell auffällig, dass sich Serienmacher an einer
sehr ruhigen und oft behäbig wirkenden Erzählweise orientiert haben. Dies passt
natürlich ins Gesamtkonzept, doch wäre es auch nicht verwunderlich, wenn der
eine oder andere Zuschauer seine Probleme mit dem schleichenden Erzähltempo
hätte. Top of the Lake nimmt sich all
die Zeit, die die Serie braucht, und dabei wird nicht nur der Hauptfall rund um
das kleine Mädchen Tui vorangetrieben, sondern auch ein genauer Blick auf die
Protagonistin Robin Wright geworfen. Campion und Lee gehen sogar so weit, dass
sie die eigentliche Hauptgeschichte auf der Hälfte der Strecke vernachlässigen
und sich voll und ganz Wright und ihrer Hintergrundgeschichte widmen. Das mag
auf den ersten Blick ein wenig befremdlich wirken, doch gelingt es den Autoren auch
auf starke und eindringliche Weise, die verschieden Handlungsstränge zu
verbinden, für den Zuschauer frei interpretierbare Metaphern und Analogien
bereitzustellen, als auch mit so mancher schockierender Enthüllung aufzuwarten,
welche durch Mark und Bein gehen und einen gespannt die Handlung
weiterverfolgen lassen.
Mit verantwortlich dafür sind
natürlich auch die einzelnen Darsteller in Top
of the Lake, wobei Hauptdarstellerin Elisabeth Moss wohl am meisten
auftrumpfen kann. Moss gehört spätestens seit ihrer Rolle der Peggy Olson in Mad Men zu den talentiertesten
Schauspielerinnen im Serien-Geschäft, und auch in Top of the Lake liefert sie eine teilweise überragende Leistung ab.
Für Moss scheint es wie ein Kinderspiel, die Zielstrebigkeit als auch
Unsicherheit ihrer Figur wiederzugeben. Mit jeder weiteren Entwicklung, die ihr
Charakter durchmacht, entwickelt auch Moss ihr Schauspiel weiter, sodass wir
als Zuschauer nicht nur vollends von der Stärke Robin Wrights, sondern auch von
ihrer Verletzlichkeit überzeugt sind. So verwundert es auch keinesfalls, dass
Moss für ihre Darbietung in Top of the
Lake eine Nominierung für den diesjährigen Emmy-Award im Bereich der besten
weiblichen Hauptdarstellerin erhalten hat. Doch auch die Nebendarsteller wissen
zu überzeugen. Das schließt nicht nur die junge Jacquelin Joe in der Rolle der
Tui ein, sondern zum Beispiel auch Peter Mullan, welcher sich ebenfalls über
eine Emmy-Award-Nominierung für den besten männlichen Nebendarsteller freuen
durfte. Mullan verkörpert Tuis Vater Matt Mitchum, dessen psychopathischen
Ausbrüche und unheimlichen Charakterzüge der schottische Schauspieler Mullan
gekonnt wiedergibt. Ebenso nachhaltig kann sich der in Australien geborenen
David Wenham, bekannt aus The Lord of the
Rings oder 300, präsentieren.
Seine Figur des Polizeichefs Al Parker umgibt wie fast jeden in Laketop etwas
Geheimnisvolles. So richtig trauen möchte man ihm nicht, und doch fügt Wenham
seinem Charakter einen gewissen Charme zu, welcher es selbst Hauptfigur Robin
Wright schwer macht, ihn richtig einzuschätzen.
Natürlich ist in Top of the Lake nicht alles Gold was
glänzt. So dreht sich die komplizierteste Nebengeschichte in Top of the Lake um eine Gruppe von
Frauen, welche in der Nähe von Laketop an einem Ort namens Paradise ihr Lager
aufgeschlagen haben. Diese Frauen werden von der bis zur Unkenntlichkeit mit
Make-Up und Prosthetics bearbeiteten Holly Hunter angeführt und befinden sich
augenscheinlich auf einem spirituellen Trip, der sie von all dem lösen soll,
was sie in ihrem bisherigen Leben belastet und runtergezogen hat. Immer wieder
kehren wir zu dieser Gruppe von Frauen zurück, immer wieder treffen die
einzelnen Charaktere auf diese etwas seltsam anmutende Gesellschaft. Campion
und Lee lassen dem Zuschauer hinsichtlich dieses Elements ihrer Serie viel
Freiraum zur Interpretation, immer wieder ertappt man sich bei dem Versuch,
diesen Aspekt mit dem Gesamtkonstrukt von Top
of the Lake in Verbindung zu setzen. Doch ist dies oft weitaus schwerer als
man denken würde, unter anderem aufgrund sehr doppeldeutiger und kryptischer
Dialoge. Dies kann wiederum abschrecken und verwirrend sein, doch entpuppt es sich
auch als ein sehr einzigartiges und oft äußerst tiefsinniges Charakteristikum
von Top of the Lake.
So bleibt am Ende nur noch zu
sagen, dass die Neuseeländerin Jane Campion und der Australier Gerard Lee mit Top of the Lake vor allen Dingen etwas
sehr Eigenes geschaffen haben. Die Szenerie, die Charaktere, der gelegentlich
schwer verständliche neuseeländische Akzent, dass alles und viel mehr trägt zu
der Einzigartigkeit von Top of the Lake
bei. Es ist ein ruhiges, unspektakuläres Format, das den Zuschauer Folge für
Folge immer mehr in seinen Bann zieht. Man taucht tief in die Umgebung des Orts
Laketop als auch in die Gedankenwelt der einzelnen Figuren, allen voran der von
Elisabeth Moss’ Robin Wright, ein. Top of
the Lake baut nicht auf Effekthascherei, es ist eine konsequente und
bodenständige Serie, die genau in den richtigen Momenten das Tempo anzuziehen
und den Zuschauer schwer verdauliche Überraschungen zu präsentieren weiß. Die
Miniserie wird wahrscheinlich nicht als Meisterwerk in die Fernsehgeschichte
eingehen, doch ist es ohne Frage ein sehr sehenswertes als auch originelles Format,
welches nicht zu Unrecht in sechs bzw. acht (zählt man die Creative Arts Emmy
Award dazu) Kategorien bei der diesjährigen Emmy-Verleihung im September
nominiert wurde.
(Und wer Lucy "Xena" Lawless wiedererkennt, bekommt ein Extra-Sternchen von mir.)
(Und wer Lucy "Xena" Lawless wiedererkennt, bekommt ein Extra-Sternchen von mir.)
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Am 07. November zeigt der deutsch-französische Sender ARTE ab 20:15 Uhr die ersten drei Folgen von Top of the Lake, eine Woche später am 14. November folgen dann zur selben Zeit die restlichen drei Episoden. ARTE übernimmt hier dieselben Schnittfassungen, welche bereits im Juli bzw. August dieses Jahres von BBC Two in Großbritannien ausgestrahlt wurden. Die siebenteilige Fassung wurde in dieser Form z.B. auf dem Sundance Filmfestival gezeigt. Jedoch nehmen sich beide Fassungen inhaltlich nichts.
Wenn ihr es euch anschaut, dann lasst mich doch bitte wissen, wie euch Top of the Lake gefallen hat. Eure Meinung, eure Kritik (auch an meinem Beitrag), euer Feedback bitte in den Kommentarbereich.
Trailer Top of the Lake