Samstag, 17. August 2013

Der Frank-Underwood-Komplex - House of Cards (Season One)


Als die Netflix-Eigenproduktion im Februar diesen Jahres in einem Rutsch veröffentlicht wurde, heizte man dadurch nicht nur die Diskussion ob der neuartigen Art und Weise des Konsumierens von Serien (Stichwort binge-watching) an, welche für viele schon selbstverständlich geworden ist und womit andere eher weniger anfangen können und gerade der Spannung wegen weiterhin die wöchentliche Veröffentlichung ihrer Lieblingsserie präferieren, nein, auch die von David Fincher unter seine Fittiche genommene Serie rund um den demokratischen Kongressabgeordneten Frances „Frank“ Underwood selbst (hervorragend gespielt von Kevin Spacey) wusste durchaus zu überzeugen. Großartig gefilmt und mit wunderbaren Aufnahmen gespickt, für Politik-Aficionados überaus interessant, clevere Drehbücher, ein gute bis sehr gute Besetzung, und vor allem, ein sehr starker Hauptdarsteller. Um es kurz und knackig auf den Punkt zu bringen: House of Cards gefiel mir gut.

Doch schreibe ich diese paar Zeilen nicht, um einfach nur Stellung zu dieser mehr als ordentlichen und meiner Meinung nach zu Recht für den Emmy nominierten Serie zu nehmen. Vielmehr möchte ich auf den Aspekt der Show eingehen, der sowohl die Stärke als auch die Schwäche des Formats ist. Denn dieser eine Punkt brennt mir nach der ersten und mit Hinblick auf die zweite Staffel wahrlich auf der Zunge: Kevin Spacey’s Frances „Frank“ Underwood - Fluch und Segen zugleich.

Dabei darf man keinesfalls Schauspieler und Rolle bzw. Figur als ein Ganzes bewerten. Spacey ist ein fantastischer Schauspieler, das ist er schon immer gewesen und er wird es auch immer sein. Sein überzeugendes, selbstbewusstes und –sicheres Auftreten, seine Fähigkeit problemlos zwischen den verschiedensten Gesichtsausdrücken und Facetten zu wechseln, sei es falsche Freude, eine bedrohliche und stoisch ernsthafte Miene etc. ist wunderbar mit anzusehen. Spacey ist in der Lage mit Körpersprache, mit Mimik und mit Eloquenz absolute Macht zu demonstrieren, die wohl wichtigste Eigenschaft hinsichtlich der Figur des Frank Underwoods.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht unglaublich begeistert von Frank Underwood war. Es gibt zahlreiche Momente, in denen Underwood bzw. Spacey fantastisch abliefert, dazu zählen auch die unzähligen Male als er das Publikum direkt anspricht und sozusagen die vierte Wand durchbricht. Doch nun wird es problematisch. Denn dieser starke Charakter, diese unfehlbare Figur, die sich zwar manchmal aber eher selten, wirklich sehr selten am Rande ihrer Hoffnungen befindet, und dann doch wieder alles so hinbiegen kann, dass es ihr am besten passt, diese Figur ist paradoxerweise auch einer der Schwachpunkte von House of Cards.

In House of Cards passiert nichts, dass in irgendeiner Form nicht mit Frank Underwood zu tun hätte. Jeder Charakter handelt so, wie es ihm passt bzw. wie es der Geschichte um die Figur herum passen würde. Moment, sagt nun der- oder diejenige, welche die erste Staffel gesehen hat, es gibt doch noch Kate Mara’s Zoe Barnes, Underwood’s Ehefrau Claire (Robin Wright) und ihre Wohltätigkeitsorganisation oder Corey Stoll’s Peter Russo. Das ist vollkommen richtig, die gibt es. Doch existiert jede einzelne Figur dieser Serie, die drei oberen miteinbegriffen, nur, um der Figur des Frank Underwood zu dienen. House of Cards präsentiert sich größtenteils als ein wahnsinnig egozentrisches Format, inklusive ein paar unbedeutender, nebelkerzenartiger Nebenplots. Es ist Frances Underwood, der hier im Mittelpunkt steht und niemand sonst, es gibt kein Problem, dass er nicht lösen könnte, er ist der große Marionettenspieler im (Vorder- und) Hintergrund, omnipräsent, omnipotent. Und wieder wird manch einer sagen "Moment mal, was ist denn mit der 6. Folge, als sich Frank Underwood im Fernsehen vor der gesamten Nation lächerlich macht?" Ein peinlicher Moment für Underwood (für den Zuschauer wiederum äußerst unterhaltsam und amüsant), in der man sieht, dass Frank Underwood doch nicht so unfehlbar ist, wie es immer scheint. Doch ist dies leider nur ein Moment von House of Cards, in dem dies wirklich deutlich wird. Hinzukommt, dass er von seinem Gegenüber nicht in Grund und Boden debattiert wird, nein, Underwood schlägt vielmehr sich selbst. Das ist naürlich eine gute Idee, denn sein gesteigertes Selbstbewusstsein bzw. seine Arroganz sind wohl die offensichtlichsten Schwächen der Figur, doch warum muss sofort wieder der Eindruck entstehen, dass Underwood selbst sein ärgster Feind ist? Dass, wenn es jemand gibt, der ihm Paroli bieten und ihn besiegen könnte, nur er es selbst ist, der ihm im Wege steht?

Das ist von Produzent und Regisseur David Fincher, Schreiberling Beau Willimon und all den anderen Beteiligten eventuell (bzw. anscheinend) auch so gewollt. Und dieser Fokus auf diese allmächtige Figur funktioniert auch für den größten Teil, als Zuschauer hat man zweifellos den allergrößten Respekt vor Underwood und erkennt ihn als einen im wahrsten Sinne überragenden Charakter an. Doch irgendwann kommt für den Zuschauer der Moment (bei mir war es gut nach der Hälfte der Staffel), wo sich das Ganze etwas fad anfühlt. Wo man sich nach einem ebenbürtigen Gegner sehnt. Den bekommt man auch zum Ende hin, doch ist dessen angriffslustiger Auftritt (die Rede ist von Raymond Tusk, verkörpert von Gerald McRaney, welcher stark aufspielt) auch nur von kurzer Dauer, denn so ist auch dieser Charakter letztendlich kein Problem für Frank Underwood. Ein Hoffnungsschimmer, wenn man es denn so drastisch formulieren darf, ist Kate Mara und ihre Figur der Zoey Barnes, die sich glücklicherweise im Laufe der Staffel von Frank Underwood emanzipiert hat (auch wenn viel zu spät) und sich mit Hinblick auf die zweite Staffel als fähige Gegenspielerin Underwood’s herausstellen könnte. Hinzukommt der Handlungsbogen von Underwood's Assistenten Doug Stemper (Michael Kelly), der für ein wenig mehr Spannung sorgen könnte und bereits in den letzten beiden Episoden der ersten Staffel dementsprechend Potenzial andeutet.

Es ist schon bezeichnend, dass die besten Episoden der ersten Staffel von House of Cards diejenigen sind, in denen Frank Underwood nicht wie ein allmächtiger, allwissender und stets kalkulierender Puppenspieler daherkommt. In der achten Episode, meiner Meinung nach dem stärksten Kapitel dieser Season, gibt es eine wunderbare Rückkehr Frank’s an seine alte Kadettenschule. Hier wirkt Underwood zum ersten Mal (und eventuell sogar zum einzigen Mal? Diskussion!) wie ein Mensch, und keine Gottheit. Auch in Folge 12, dem Aufeinandertreffen von Tusk und Underwood, eine Situation in der Frank lange nicht weiß, woran er ist, präsentiert sich House of Cards von seiner besten Seite.

Man verstehe mich bitte nicht falsch, House of Cards ist ein gutes, vielleicht sogar sehr gutes Format, eines der möglicherweise besten dieses Jahres. Doch ist hier nicht alles Gold was glänzt. Die vermeintliche Stärke dieser Serie ist zugleich ein Schwachpunkt. Für die zweite Staffel wünsche ich mir daher, dass man sich zumindest etwas wenn nicht sogar deutlich von dieser Frank Underwood-zentrischen Perspektive löst. Gut möglich, dass man in der ersten Staffel Spacey’s Underwood bewusst ein Monument gebaut hat, um es in der zweiten sogleich wieder einzureißen. Das wäre vielleicht wünschenswert. Denn weitere 13 Episoden über den unbesiegbaren, unüberwindbaren, unfehlbaren Frank Underwood und seine dummen Schafe, die sich dem Wolf unterwerfen wie es ihm am besten passt und sich von ihm nach dessen Lust und Laune verspeisen lassen, das wäre nun wirklich etwas enttäuschend.

House of Cards - Trailer

 


Habt ihr, werte Leserschaft oder hast du, werter Leser, der eine da draußen in den unendlichen Weiten des Interwebz, die erste Staffel von House of Cards gesehen? Wie fandet ihr bzw. wie fandest du sie? Bin ich mit meiner Meinung komplett auf dem falschen Dampfer oder habt ihr valide Argumente, die gegen meine Ausführungen sprechen? Raus damit. Ich freue mich über jede Form von Beteiligung, ob andere Meinungen, konstruktive Kritik oder allgemeines Feedback. Nur hasserfüllte Kommentare finde ich doof. Aber sowas macht man ihr ja nicht.

7 Kommentare:

  1. Ich muss sagen, dass ich selten im Netz eine derartig gute und tiefgründige Rezension eines Films oder einer Serie gelesen habe, das mal vorweg als allgemeine Bemerkung. Als Einstieg zu meinem Kommentar möchte ich anmerken, dass ich seit den 90gern ein (fast unbelehrbarer) Kevin Spacey Fan bin. Lange musste ich warten, ihn endlich wieder auf der Leinwand/TV zu sehen. Ich interessiere mich zudem für Politik eines Kennedy und Clinton und bin somit also nicht ganz unbelesen, denn ich besitze unzählige Bücher zu den beiden Präsidenten. Dazu liebe ich Kino und David Fincher ganz besonders.
    Gut, keine besonders gelungenen Voraussetzungen sehr objektiv zu sein. Ich versuche es dennoch. Ich gehe mit jeder einzelnen Zeile deines blogs konform. Vieles, fast alles sehe ich ganz genauso, warum also wiederholen.
    Persönlich denke ich, dass die Figur Underwood so stark auf Spacey und durch Spacey fixiert wird, weil alle seine dargestellten Figuren in der Vergangenheit es eher selten zuließen, dass sich noch jemand neben ihm profilieren konnte. Er ist so gnadenlos gut, dass neben ihm eigentlich jeder nur verlieren kann. Ich persönlich mag diese One Man Show und Spacey ist vielleicht der einzige Darsteller, der eine solche auch überzeugend liefern kann. Hier einen Widersacher zu finden wird schwer und ich stimme dem zu, dass dies einer zweiten Staffel sehr gut tun würde. Es ist eben schwer, sich mit ihm zu messen, mit seiner Figur, aber auch mit der schwierigen Persönlichkeit Kevin Spacey. Neben ihm verblasst man ganz schnell, das war so, ist so und wird immer so sein. Annette Bening schaffte dies teilweise in „American Beauty“, aber schon dort wird klar welche Art Schauspieler er ist. Er agiert auch im Film, im TV wie auf einer Theaterbühne. Das mag man oder eben nicht.
    Sein Charisma ist es, das die Leute anzieht und ich denke, dass gerade diese Figur Frank Underwood so präsent ist, über allen steht und die anderen wie Idioten dastehen lässt, durchaus gewollt ist. Gewollt ist vermutlich auch die etwas überspitzte Darstellung bzw. Handlung. Es ist diese Fixierung auf diese eine Figur, die man bei Kevin Spacey immer wieder findet. Das ist sein Markenzeichen. Ja, dies ist Fluch und Segen, Schwachpunkt und Stärke zugleich, keine Frage. Aber für mich ist es ganz großes Kino, wenn ich diesem Mann beim Spielen zusehe, weiß ich, dass das Kino noch nicht verloren ist. Dieses einzigartige Talent zu beobachten und dann von ihm direkt eingeweiht zu werden, was er als nächstes tun wird, ist für mich einzigartig. Da fühle ich mich mittendrin und nicht nur dabei. Da bin ich und all die anderen Zuschauer mit ihm auf Augenhöhe, weiß, was er als Nächstes zu tun gedenkt und werde damit zum Mitverschwörer. Und ehrlich gesagt, wer wollte das nicht schon mal sein? Ich genieße es jedes Mal aufs Neue und hoffe, dass sich dieser Effekt eben nicht abnutzt.
    Ich sagte ja, ich bin ein Spacey Fan und gnadenlos subjektiv. Und ich bin durch die Sat1 Ausstrahlung erst bei Folge 6, komme aber gern noch mal wieder, wenn ich meine eigene Box und die erste Staffel beendet habe.

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