Ich habe mir vor kurzem die zweite Staffel von HBO’s The Boardwalk Empire angesehen. Großartiges
Ding. Dennoch werde ich bei dieser ausgezeichneten Serie das Gefühl nicht los, dass
sie kaum wahrgenommen wird, besonders hier in Deutschland. Warum ist das so?
Nischenthematik? Zu speziell? Kann sich der Otto-Normal-Seriengucker nicht
darauf einlassen, auch wenn er zeitgleich ähnlich komplexe Serien schaut, deren
größter Unterschied oft nur die Grundthematik an sich ist?
In The Boardwalk Empire dreht sich alles um eine wunderbare
Zeit, welche ich mir schon damals im Geschichtsunterricht dermaßen lebhaft und
aufregend vorgestellt habe: The Roaring Twenties, die Goldenen 20er. Der Fokus liegt
hierbei auf Atlantic City, ein Paradies für Glücksspieler, Lebemänner und
korrupte Politiker. Dieses „Paradies“ ist in der Hand eines Mannes, Enoch
„Nucky“ Thompson (Steve Buscemi), Stadtkämmerer, aber zugleich auch der
mächtigste Mann in AC. Über seinen Tisch geht alles, er hält alle Fäden in der
Hand. Diese Macht rührt vor allem daher, dass in den USA soeben die Prohibition
durchgesetzt wurde und „Nucky“ nun sämtliche Räder in Bewegung setzen lässt, um
sein „Boardwalk Empire“ nicht trocken werden zu lassen. Seine vorteilhafte
Position und seine Beziehungen zu diversen wichtigen Persönlichkeiten aus
Politik und Wirtschaft spielen ihm hierbei selbstverständlich in die Karten.
Doch wo Macht ist, sind auch Neider. Und schnell wird klar, dass das Leben an
der Strandpromenade (engl. boardwalk) sich doch gar nicht so einfach gestalten lässt, wie es sich
ein mancher wünschen würde…
Ich möchte eigentlich gar nichts weiter zu den Inhalten der
ersten und zweiten Staffel von The Boardwalk Empire verlieren. Doch, um diese
Serie einem schmackhaft zu machen, sollte man schon wissen, auf was man sich
ungefähr einlässt. Stichwort die 20er. Der Stil dieser Epoche ist
unvergleichbar, von der Ausstattung bewegt sich The Boardwalk Empire auf einer
Ebene mit Mad Men. Geschmeidige Anzüge, wunderbare Kulissen, hohe
Produktionswerte, The Boardwalk Empire sieht einfach hervorragend aus und
versteht es, einen präzisen Einblick in eine gänzlich andere Zeit zu liefern.
Was sollte man anderes erwarten, immerhin produziert HBO. Und Martin Scorsese. Dieser führte auch bei der Pilotfolge Regie und bekam dafür prompt einen Emmy. Wenn
das nichts ist.
Generell ist The Boardwalk Empire großartig geschrieben. Wo
die erste Staffel noch viele einzelne Handlungsebenen separat aufbaut und Stück für Stück zusammenführt, entwickelt die zweite Staffel eine Dynamik, die einen
dranbleiben und mitfiebern lässt, inklusive unerwarteten Vorkommnissen und
Wendungen á la Sopranos. Wo wir schon bei den Sopranos sind, wer
sich gerne Gangstergeschichten, hier speziell aus den 30er und 40er Jahren, anschaut, der
sollte sich für The Boardwalk Empire begeistern lassen können, auch wenn sich
erst in der zweiten Staffel derartigen Tendenzen klarer herauskristallisieren
als noch in der vorangegangenen Staffel.
Doch hier werden einige Kritiker laut, was ich teilweise
nachvollziehen kann. The Boardwalk Empire kann sich allein seiner Komplexität und diversen Charaktere wegen hinziehen. Es lässt sich
Zeit. Viel Zeit. Hinzukommt für den europäischen Zuschauer, dass man sich weit
mehr auf die spezielle Thematik der Prohibition und ebenso den Umständen zu
Beginn der 1920er Jahre in den USA einlassen und sicherlich etwas Interesse dafür mitbringen
muss.
Neben diesen allgemeinen Eindrücken muss man natürlich die
ausgezeichnete Besetzung erwähnen, allen voran Steve Buscemi, dessen
abscheuliche Glubschaugen mich für immer verfolgen werden, aber nichts daran
ändern, dass er ein außergewöhnlicher Schauspieler ist. So auch Michael Pitt,
Kelly Macdonald oder Michael Shannon, auch wenn in dieser Serie jeder von ihnen etwas mehr oder
weniger unangenehmes an sich hat. Das ist es auch, was „TBE“ ausmacht: Jede
einzelne Figur hat Dreck am Stecken, in welcher Form auch immer. Der Zuschauer
lüftet Geheimnisse und erfährt Schritt für Schritt mehr über diese dubiosen
Charaktere, ob es nun eine unerwartete positive oder nur eine weitere negative
Eigenschaft der jeweiligen Figur ist.
Also warum nicht? Warum erfährt The Boardwalk Empire, eine der beliebtesten Serie des Senders HBO, nicht
den Hype, wie viele andere, ähnliche Serienprodukte? TBE geht unter die Haut und verlangt dem Zuschauer Aufmerksamkeit und Interpretationslust
ab, doch welche gut funktionierende Serie tut das heutzutage nicht? Geht es nur
mir so, dass ich diese nostalgischen Aufnahmen einer längst vergangenen Zeit
wie in The Boardwalk Empire (oder vergleichsweise eben Mad Men) so gerne sehe oder fühlt sich der
Großteil des (deutschen) Publikums von solchen Serien schlicht und einfach
gelangweilt? Hier wird leider von vielen sehr gutes Fernsehen links
liegen gelassen. Doch HBO macht weiter, wofür man sie zu schätzen weiß, Mitte
September diesen Jahres läuft die dritte Staffel an.
Ich möchte The Boardwalk Empire pushen. Warum um den
heißen Brei herumreden. Schaut euch diese Serie an oder gebt zumindest der
Pilotfolge eine Chance. Besser sogar den ersten vier Folgen, denn The Boardwalk
Empire braucht, wie bereits geschrieben, seine Zeit, doch es kann sich wirklich lohnen.
Staffel 1 von The Boardwalk Empire ist hierzulande bereits auf DVD und Blu-Ray erhältlich. Die zweite Staffel lief bis vor kurzem noch auf dem Pay-TV-Sender TNT Serie und kommt in Deutschland am 5. Oktober 2012 auf den Markt. Die dritte Staffel startet in den USA am 16. September 2012 und wird zeitnah auf Sky Atlantic HD in Deutschland zu sehen sein.
The Boardwalk Empire - Promo Season 1
The Boardwalk Empire - Promo Season 1
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen