Samstag, 14. Juli 2012

The Boardwalk Empire


Ich habe mir vor kurzem die zweite Staffel von HBO’s The Boardwalk Empire angesehen. Großartiges Ding. Dennoch werde ich bei dieser ausgezeichneten Serie das Gefühl nicht los, dass sie kaum wahrgenommen wird, besonders hier in Deutschland. Warum ist das so? Nischenthematik? Zu speziell? Kann sich der Otto-Normal-Seriengucker nicht darauf einlassen, auch wenn er zeitgleich ähnlich komplexe Serien schaut, deren größter Unterschied oft nur die Grundthematik an sich ist?

In The Boardwalk Empire dreht sich alles um eine wunderbare Zeit, welche ich mir schon damals im Geschichtsunterricht dermaßen lebhaft und aufregend vorgestellt habe: The Roaring Twenties, die Goldenen 20er. Der Fokus liegt hierbei auf Atlantic City, ein Paradies für Glücksspieler, Lebemänner und korrupte Politiker. Dieses „Paradies“ ist in der Hand eines Mannes, Enoch „Nucky“ Thompson (Steve Buscemi), Stadtkämmerer, aber zugleich auch der mächtigste Mann in AC. Über seinen Tisch geht alles, er hält alle Fäden in der Hand. Diese Macht rührt vor allem daher, dass in den USA soeben die Prohibition durchgesetzt wurde und „Nucky“ nun sämtliche Räder in Bewegung setzen lässt, um sein „Boardwalk Empire“ nicht trocken werden zu lassen. Seine vorteilhafte Position und seine Beziehungen zu diversen wichtigen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft spielen ihm hierbei selbstverständlich in die Karten. Doch wo Macht ist, sind auch Neider. Und schnell wird klar, dass das Leben an der Strandpromenade (engl. boardwalk) sich doch gar nicht so einfach gestalten lässt, wie es sich ein mancher wünschen würde…

Ich möchte eigentlich gar nichts weiter zu den Inhalten der ersten und zweiten Staffel von The Boardwalk Empire verlieren. Doch, um diese Serie einem schmackhaft zu machen, sollte man schon wissen, auf was man sich ungefähr einlässt. Stichwort die 20er. Der Stil dieser Epoche ist unvergleichbar, von der Ausstattung bewegt sich The Boardwalk Empire auf einer Ebene mit Mad Men. Geschmeidige Anzüge, wunderbare Kulissen, hohe Produktionswerte, The Boardwalk Empire sieht einfach hervorragend aus und versteht es, einen präzisen Einblick in eine gänzlich andere Zeit zu liefern. Was sollte man anderes erwarten, immerhin produziert HBO. Und Martin Scorsese. Dieser führte auch bei der Pilotfolge Regie und bekam dafür prompt einen Emmy. Wenn das nichts ist.

Generell ist The Boardwalk Empire großartig geschrieben. Wo die erste Staffel noch viele einzelne Handlungsebenen separat aufbaut und Stück für Stück zusammenführt, entwickelt die zweite Staffel eine Dynamik, die einen dranbleiben und mitfiebern lässt, inklusive unerwarteten Vorkommnissen und Wendungen á la Sopranos. Wo wir schon bei den Sopranos sind, wer sich gerne Gangstergeschichten, hier speziell aus den 30er und 40er Jahren, anschaut, der sollte sich für The Boardwalk Empire begeistern lassen können, auch wenn sich erst in der zweiten Staffel derartigen Tendenzen klarer herauskristallisieren als noch in der vorangegangenen Staffel.

Doch hier werden einige Kritiker laut, was ich teilweise nachvollziehen kann. The Boardwalk Empire kann sich allein seiner Komplexität und diversen Charaktere wegen hinziehen. Es lässt sich Zeit. Viel Zeit. Hinzukommt für den europäischen Zuschauer, dass man sich weit mehr auf die spezielle Thematik der Prohibition und ebenso den Umständen zu Beginn der 1920er Jahre in den USA einlassen und sicherlich etwas Interesse dafür mitbringen muss.

Neben diesen allgemeinen Eindrücken muss man natürlich die ausgezeichnete Besetzung erwähnen, allen voran Steve Buscemi, dessen abscheuliche Glubschaugen mich für immer verfolgen werden, aber nichts daran ändern, dass er ein außergewöhnlicher Schauspieler ist. So auch Michael Pitt, Kelly Macdonald oder Michael Shannon, auch wenn in dieser Serie jeder von ihnen etwas mehr oder weniger unangenehmes an sich hat. Das ist es auch, was „TBE“ ausmacht: Jede einzelne Figur hat Dreck am Stecken, in welcher Form auch immer. Der Zuschauer lüftet Geheimnisse und erfährt Schritt für Schritt mehr über diese dubiosen Charaktere, ob es nun eine unerwartete positive oder nur eine weitere negative Eigenschaft der jeweiligen Figur ist.

Also warum nicht? Warum erfährt The Boardwalk Empire, eine der beliebtesten Serie des Senders HBO, nicht den Hype, wie viele andere, ähnliche Serienprodukte? TBE geht unter die Haut und verlangt dem Zuschauer Aufmerksamkeit und Interpretationslust ab, doch welche gut funktionierende Serie tut das heutzutage nicht? Geht es nur mir so, dass ich diese nostalgischen Aufnahmen einer längst vergangenen Zeit wie in The Boardwalk Empire (oder vergleichsweise eben Mad Men) so gerne sehe oder fühlt sich der Großteil des (deutschen) Publikums von solchen Serien schlicht und einfach gelangweilt? Hier wird leider von vielen sehr gutes Fernsehen links liegen gelassen. Doch HBO macht weiter, wofür man sie zu schätzen weiß, Mitte September diesen Jahres läuft die dritte Staffel an.

Ich möchte The Boardwalk Empire pushen. Warum um den heißen Brei herumreden. Schaut euch diese Serie an oder gebt zumindest der Pilotfolge eine Chance. Besser sogar den ersten vier Folgen, denn The Boardwalk Empire braucht, wie bereits geschrieben, seine Zeit, doch es kann sich wirklich lohnen. 

Staffel 1 von The Boardwalk Empire ist hierzulande bereits auf DVD und Blu-Ray erhältlich. Die zweite Staffel lief bis vor kurzem noch auf dem Pay-TV-Sender TNT Serie und kommt in Deutschland am 5. Oktober 2012 auf den Markt. Die dritte Staffel startet in den USA am 16. September 2012 und wird zeitnah auf Sky Atlantic HD in Deutschland zu sehen sein.  

The Boardwalk Empire - Promo Season 1


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen