Dienstag, 24. Januar 2012

Drive

Am Donnerstag startet Drive in den deutschen Kinos und ich hatte vorab die Möglichkeit, bereits am Freitag der vergangenen Woche mir diesen Film anzusehen. Mit großen Erwartungen bin ich rangegangen und am Ende konnte ich einen der besten Kinobesuche seit langem verzeichnen.

Wenn man sich ein wenig für Film und Kino interessiert, dann wusste man schon im September (Kinostart in den USA) ode gar im Mai (Erstaufführung in Cannes), dass mit Drive etwas Besonderes auf einen zukommen würde. Das Empire Magazine packte Drive auf Platz 1 seiner Bestenliste des Jahres, die Kritiker waren sich größtenteils einig: Drive ist eine ganz heiße Kiste. Im wahrsten Sinne.

Darum geht's: Der Driver (Ryan Gosling) hat keinen Namen. Er ist einfach nur der Driver. Und das hat natürlich auch einen Grund, denn niemand fährt sein Auto so gut wie der Driver. Er arbeitet in einer Autowerkstatt und nimmt nebenbei gelegentlich Jobangebote als Stuntfahrer beim Film an. Doch es gibt noch eine dritte Einnahmequelle für ihn, er fährt den Fluchtwagen bei Überfällen, Räubereien etc. Was gestohlen oder wer beraubt wird, ist ihm egal, er fährt nur, mehr nicht. Er stellt keine Fragen, ihm werden keine Fragen gestellt, es gibt keine Komplikationen. Doch ändert sich sein Leben, als er und seine Nachbarin (Carey Mulligan) langsam Gefühle für einander entwickeln. Alsbald kehrt dann der Ehemann (Oscar Isaac) der Nachbarin aus dem Gefängnis zurück und bringt neue Probleme mit sich, sodass der Driver ihm helfen muss, um das Leben seiner heimlichen Flamme und deren Kind zu schützen. Doch läuft bei dieser Hilfsaktion, ein Überfall auf einen Pfandleiher, eigentlich alles schief und der Driver befindet sich in einer ungewissen Situation, die für ihn und seine Nachbarin große Gefahren birgt. So muss er mit eigenen Händen wieder einiges gerade rücken...

Drive lässt sich wirklich schwer beschreiben. Der Film spielt von Anfang an mit den Erwartungen des Zuschauers. Manch einer wird sich vorher den Trailer angesehen haben, der ein von der ersten bis zur letzten Minute rasantes Action-Spektakel verspricht, doch dem ist nicht so. Die meisten werden von der ersten halben Stunde des Films enttäuscht sein. Es passiert wenig, es wird kaum gesprochen. Generell, es wirkt alles sehr ruhig und behäbig. Doch wichtig ist hier das Unausgesprochene, das ungesagte Wort. Der Fokus liegt auf den äußeren Einflüssen, Licht, unaufgeregte Kameraaufnahmen, Reaktionen in den Augen der Charaktere. Der gesamte Film möchte als ein Sinnbild, eine totale Metapher, verstanden werden. Und das fand ich persönlich sehr beeindruckend.

Ruhig und beständig wie Drive beginnt, umso deutlicher wird er, als der Driver seinen kühlen, in sich gekehrten Charakter verwirft und Emotionen Herr über ihn und sein Auftreten werden. Es wird arg explizit, schockierend, wie der Driver austeilen kann, zu was er in der Lage ist. Sinnbildlich hierfür steht seine einzigartige Jacke. Nicht nur, weil ein goldener Scorpion auf deren Rücken zu sehen ist, nein, auch weil sie für seine Wandlung steht. Sitzt her hinter dem Steuer eines Fahrzeuges, offenbart er sein wahres Ich, so wird die Jacke zu einem Teil von ihm. Und so wird sie bis zum Ende des Films auch immer blutverschmierter. Was vorher noch sehr rein und gepflegt aussah, ist nun dreckig, verschmutzt, besudelt und befleckt.

Gerade die Deutlichkeit, die Energie in vielen Szenen überrascht den Zuschauer und versetzt ihn in eine Schockstarre. Man sympathisiert mit dem wortkargen Protagonisten. Der Däne Nicolas Winding Refn hat hier in meinen Augen etwas Fantastisches abgeliefert. Der Soundtrack ist einfach wunderbar, wie er seine Darsteller in Szene setzt, wie er Aufnahmen einschränkt, verlangsamt und beleuchtet... Hervorragend. Und es gibt diesen einen Moment, den ein jeder Film für mich haben muss. Diesen Moment, wenn alles stillzustehen scheint, wenn man die Intensität einer Szene spürt, wenn man frei von allen anderen Gedanken ist. Und eben einen solchen Moment gibt es in Drive.

Ryan Gosling liefert eine eindrucksvolle Performance ab, doch merkt man auch, trotz Größen wie Albert Brooks, Ron Perlman oder Bryan Cranston, dass eigentlich nur der Driver zählt, und das, wofür er steht. Wenn wir dann das Schlussbild sehen, konsterniert und sprachlos, wenn wir eine Ausblende erwarten, dann werden wir eines Besseren belehrt. Denn der Driver gehört auf die Straße, hinter dem Steuer seines Fahrzeuges. Fahren, das kann er wie kein anderer.

Eine unbedingte Filmempfehlung von mir, eine must-have-seen des Jahres. Drive kann einem einfach so unglaublich viel geben. Man wird über diesen Film nachdenken, grübeln, diskutieren. Das Filmerlebnis ist meinen Augen komplett, und ich wundere mich, warum dieser Film bei den Golden Globes links liegen gelassen wurde. Wie wird es bei den Oscars (Nominierungen gehen am heutigen Tage raus) aussehen? Bin ich vielleicht zu begeistert, als dass ich die Makel von Drive erkenne? Und warum gibt Quentin Tarantino in seiner Bestenliste von 2011 Drive den Nice Try Award? Vielleicht hat er sich kopiert gefühlt, ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass Drive mich absolut überzeugt hat und dass ich diesen Kinobesuch nicht so schnell vergessen werde.

Anschauen. Ab 26. Januar im Kino.



UPDATE: Keine Oscar-Nominierung für Drive. Mmh.

UPDATE 2: Doch, eine. Für bestes Sound Editing...

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