Samstag, 14. Januar 2012

The Ides of March / The Girl with the Dragon Tattoo

Die Zeit der großen Awards. Die Golden Globes (15. Januar) und Oscarverleihung (26. Februar) stehen so gut wie vor der Tür. Das bedeutet für Deutschland's Kinogänger, dass gerade jetzt, im Januar und Februar, noch einmal richtige Kaliber in die hiesigen Lichtspielhäuser kommen. Was in den Staaten und Großbritannien schon beinahe ein alter Hut ist, kann bei uns jetzt erst richtig abgefeiert werden. Oder eben jeder ist betroffen, ob Amerikaner, Brite, Deutscher oder sonstwer. Gerne wird der Release potenzieller Oscar-Kandidaten kurz vor der Verleihung platziert. Kurzfristige Medienwirksamkeit und so, man kann es sich denken. Aber das soll hier gar nicht zur Sache tun.

Hier geht's um die angesprochenen Kaliber. Zwei von denen habe ich mir diese Woche angeschaut. Und beide haben mir sehr gut gefallen. The Ides of March und The Girl with the Dragon Tattoo kommen auf vier bzw. zwei Nominierungen bei den Golden Globes 2012 und dürfen sich auch berechtigte Hoffnungen auf eine oder mehrere Oscarnominierung machen.

The Ides of March (Tage des Verrats)

Die Iden des März. Jener Zeitpunkt, zu welchem Caesar einst von Verschwörern und Verrätern niedergestochen und ermordert wurde. Ein passender Titel, eine passende Metapher für George Clooney's vierte Regiearbeit. Wobei in The Ides of March nicht der Königs- bzw. Kaisermord im Mittelpunkt steht, sondern der Verrat per se. Ryan Gosling spielt Stephen Meyers, einen begnadeten Wahlkampfmanager, der mit Raffinesse und Charme großen Anteil an den steigenden Umfrageergebnissen des Gouverneurs Mike Morris (George Clooney) hat, welcher sich erst in den Vorwahlen der Demokraten für den Präsidentschaftskandidaten durchsetzen und dann natürlich auch ins Weiße Haus einziehen soll. Politik und gerade Wahlkampf verbindet unsereins stets mit Korruption, Lügen und falschen Versprechungen. Doch Meyers wirkt wie ein aufgeweckter, motivierter, junger Mann, der in seinen Kandidaten vertraut, nicht weil er muss, sondern weil er es wirklich tut. Doch diese Ideale muss selbst er bald über den Haufen werfen, seine Unerfahrenheit und Naivität wird ihm zu Verhängnis, wem kann er vertrauen, von wem wird er verraten werden, wen wird er verraten... Meyers ist nicht auf den Kopf gefallen. So wird er selbst zu dem, was er sich vermutlich niemals gewünscht hätte...

So ist Politik. Geheime Absprachen, kleine Deals, wer bekommt welche politische Position, um sich wie viele Wählerstimmen wo auch immer zu sichern. Ich mag Polit-Thriller, besonders wenn sie nicht so reißerisch und eher subtil wie Clooney's Ides of March sind. Mit Ryan Gosling hat man eine perfekte Besetzung der Rolle des Stephen Meyers getätigt, sein Spiel zwischen den Fronten, sein Wandel vom überzeugten Idealisten hin zum kaltblütigen Opportunisten gefällt außerordentlich gut. George Clooney hält sich vornehm zurück, er ist nur eine der vielen Schachfiguren (oder Schachspieler?), darunter auch der großartige Paul Giamatti und Philip Seymour Hoffman, die dem Film im Endeffekt seine Relevanz und Gedankentiefe geben. The Ides of March versteht es ausgezeichnet, uns ein Bild von den politischen Abläufen in den USA zu geben. Kein Weg ist zu wider, den Kandidaten an der Spitze zu platzieren. Etikette ist nur eine Fassade, darunter zeigt sich die wahre Natur des Menschen. Natürlich zeigt Clooney nur eine fiktive Idee und liefert keine direkten Bezüge zur real existierenden Persönlichkeiten. Doch sein Film schafft es, eine gefährlich präzise und gut vorstellbare Beschreibung des politischen Systems in den Staaten zu geben.

Das Schlussbild von The Ides of March steht für sich allein. Wir betrachten Gosling's Stephen Meyers, kurz vor einem Fernsehinterview. Sein Weg war steinig, er war kurz vor dem Ende, jetzt ist er wieder ganz oben. Doch er hat sich gewandelt, Ideale verworfen, Vorbilder getäuscht und verraten. Meyers hebt den Kopf und blickt kühl in die Kamera. Ausblende. Schluss.

“In war, you can only be killed once, but in politics, many times.”

Wer mal wieder ordentlich Lust und Laune auf ein ruhigen, spannend-interessanten Polit-Thriller mit reichlich Starpower, guten Hintergrund und wunderbar aktuellen Bezug hat, der sollte sich The Ides Of March ansehen. Clooney überzeugt als Regisseur und Gosling freut sich über eine Golden Globe-Nominierung als Bester Hauptdarsteller im Bereich Drama. Sehenswert.



The Girl with the Dragon Tattoo (Verblendung)

Die Amerikaner. Denen kann man es nie recht machen. 2009 kam die erste skandinavisch-deutsch produzierte Romanverfilmung von Stieg Larsson's Millenium-Trilogie unter dem Titel Verblendung raus und konnte Kritiker sowie Publikum überzeugen. Sogar so sehr, dass sich amerikanische Filmproduzenten dachten, man könnte diesen Film doch einfach nochmal neu auflegen, auf den Import europäischer Filme stehen die sowieso nicht. Diesmal aber mit mehr Budget und David Fincher im Regiestuhl. Also ein zeitnahes Remake. Und das hat es in sich. Vorweg, ich habe weder die Bücher gelesen noch habe ich irgendeinen der vorangegangen Filme dazu gesehen. Da ich aber viel Gutes über The Girl with the Dragon Tattoo gelesen hatte und schon etwas neugierig war, hab ich ihn mir angeschaut. Gute Entscheidung meinerseits. The Girl with the Dragon Tattoo ist hervorragend.

Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) hat sich ins Abseits manövriert. Sein letzter Artikel und die dazugehörige Verleumdungsklage stellt ihn vor große finanzielle Probleme. Da trifft es sich ganz gut, dass der ehemalige Großindustrielle Henrik Vanger (Christopher Plummer, wer könnte einen besseren Patriarchen spielen?) einen Auftrag bzw. Rätsel für Blomkvist hat und ihn dementsprechend für die Lösung dessen entlohnen möchte. Blomkvist soll Henrik's Lieblingsnichte Harriet finden, welche vor über 40 Jahren spurlos verschwunden ist. Dabei zur Hilfe kommt ihm die eigentümliche Lisbeth Salander (Rooney Mara), eine ausgezeichnete Hackerin, aber äußerst problematisch im sozialen Alltag. Gemeinsam dringen Blomkvist und Lisbeth tief in die Geheimnisse der Familie Vanger ein und müssen sich arg vorsehen, nicht selbst ins Fadenkreuz zu geraten...

Ich wusste nicht ganz, was ich zu erwarten hatte. Fakt ist, dass David Fincher ein glänzender Regisseur ist. Fakt ist auch, dass die Kritik zu seinem Girl with the Dragon Tattoo überdurchschnittlich gut ausgefallen ist. Und hier muss ich mich bedenkenlos anschließen, The Girl ist ein ganz starker Film. Zuckt man bei einer Laufzeit von gut 160 Minuten anfangs noch zusammen, lässt man sich während dieser etwas mehr als zweieinhalb Stunden dann bedingungslos fesseln. Die Spannung ist greifbar, permanent baut Fincher auf Hintergrundmusik, die etwas heraufbeschwört. Man ahnt etwas, doch bekommt man es selten zu sehen. Im nächsten Moment ist der Regisseur gnadenlos und zeigt die ganze Grausamkeit, für welche die skandinavische Kriminalliteratur bekannt geworden ist. Die, ob beiläufig oder offensichtlich, Intensität der einzelnen Szenen ist bedrückend einmalig. Daniel Craig als Mikael Blomkvist versteht sich darauf, etwas zurückhaltender zu spielen. Dennoch verleiht er seiner Figur die nötige Tiefe und Ausstrahlung. Doch Rooney Mara in der Rolle der Lisbeth Salander avanciert hier zur überragenden Figur. Reserviert, psychologisch ein Wrack, kaltblütig, sich grausam rächend (Raptist Pig!), zum Ende gar hoffnungsvoll und dann doch wieder am Boden. Ein einmaliger Charakter, der dank Rooney Mara's Performance einen unvergesslichen Eindruck hinterlässt.
(Außerdem trägt sie das coolste T-Shirt in einem Film seit langem.)

David Fincher hat von Anfang an gesagt, er würde sich an keine Altersvorgaben der Produzenten halten. Ergebnis: Rated R in den Staaten, ab 16 hier bei uns. Zurecht, The Girl with the Dragon Tattoo ist explizit und direkt, und scheut nicht vor harten Bildern zurück. Doch das muss grundstimmungshalber auch so sein. Parallelen zu Fincher's Zodiac werden deutlich, sein Verständnis für den Aufbau des logischen und nachvollziehbaren Lösens von geheimnisvollen Rätseln. The Girl wirkt insgesamt wie kein 0815-Thriller, eher viel mehr wie eine unkonvientionelle Adaption, die viele Möglichkeiten hat, reißerisch zu enden, aber den Zuschauer lieber mit einem ruhigen und tiefsinnigen Schlussbild verabschiedet.

The Girl with the Dragon Tattoo bekommt von mir eine dicke Empfehlung. Spannung, Stimmung, Charaktere und ihre Darsteller, hier passt (fast) alles. Manch einer wird über die lange Laufzeit stöhnen. Ja, The Girl hat seine Längen, darüber schaue ich aber des Endergebnis wegen hinüberweg. Rooney Mara katapultiert sich in den Kreis der heißen Oscarkandidaten, für den Golden Globe gab's schon eine Nominierung. Verdient hätte sie's.



Sonntagabend bzw. Sonntagnacht kommt es dann zu den Golden Globe Awards 2012. Ich werde mir das natürlich anschauen und etwas Bericht erstatten. Zwar dient mir diese Verleihung eher dazu, eine oblitgatorische Anschauliste bis zur Oscarverleihung Ende Februar anzufertigen, aber ich werde trotzdem ein paar Sätze dazu verlieren. Und ein paar der Kandidaten habe ich ja schon gesehen, ob nun Film oder Serie.

PS: Ich freue mich auf Ricky Gervais. Das wird lustig.

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