Montag, 20. Februar 2012

War Horse


War Horse (Gefährten)

Wir begeben uns langsam auf die Zielgerade Richtung Oscarverleihung 2012. Noch eine Woche, dann ist es soweit, der 26. Februar ist bei vielen Filmfreunden dick im Kalender eingetragen. Bis jetzt habe ich die neun Kandidaten, welche für die Kategorie Bester Film nominiert sind, so gut wie es eben ging abgearbeitet. Drei sind noch übrig, Steven Spielberg's War Horse, Extremely Loud & Incredibly Close und Scorsese's Hugo Cabret. Vorgestern habe ich mir War Horse (basiert übrigens auf einem Theaterstück) angesehen und war angetan. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, da man viel über leidenschaftlichen Schmalz und pathetischen 0815-Filmstoff lesen konnte. Andererseits gab es aber auch viel Lob für Regisseur Spielberg. Ich schließe mich den lobenden Worten an, War Horse ist gut, wenn nicht sogar sehr gut. Trotz Pathos. Denn ohne geht es nun mal nicht in diesem Film.

Kurz zum Inhalt. Im Mittelpunkt von War Horse bzw. Gefährten steht kein Mensch, sondern ein Tier. Genauer, ein Pferd (der englische Originaltitel macht es irgendwie deutlich...). Der einzigartige Gaul trägt den Namen Joey und muss in etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit eine ganze Menge durchmachen. Man sieht, wie der herzensgute aber leicht naive Albert (Jeremy Irvine) das Pferd erzieht, trainiert und gemeinsam erste Grenzen überwindet. Doch hält der Erste Weltkrieg Einzug, Albert's Vater verkauft Joey und so wird das stattliche Ross zum Kavalleriepferd. Doch die Geschichte hat noch lange kein Ende, Joey wechselt infolgedessen immer wieder den Besitzer, ob flüchtige, desertierende deutsche Soldaten oder ein kleines französisches Mädchen samt Großvater. Selbst zwischen Schützengräben verirrt sich der ausdauernde Gaul gezwungenermaßen. Sein einstiger Besitzer Albert hingegen hat sich geschworen, eines Tages wieder mit Joey vereint zu sein und meldet sich deshalb freiwillig für den Krieg. Ob Mensch und Tier wieder zusammenfinden? Wer weiß...

Die Geschichte zu War Horse liest sich wirklich arg gefühlsduselig, das kann ich schwer bestreiten. Der Trailer suggerierte von Beginn an eine Geschichte emotionaler Aufs und Abs , für Mensch wie für Tier. Schnell wurden zahlreiche Unkenrufe laut, wie manipulativ und schmalzig doch War Horse sei. Doch was für Erwartungen hat man denn? Das Thema des Films ist offensichtlich, Aussagen in diese Richtung ergeben für meinen Geschmack wenig Sinn. Spielberg schaffte bewusst eine Geschichte, die berühren soll, ob es gelingt sei dahingestellt. Teilweise hatte auch ich meine Probleme damit, doch gibt es in meinen Augen viele positive Aspekte, welche diesen Kritikpunkt überspielen.

Zum Beispiel die Perspektive. Im Mittelpunkt steht wie bereits gesagt ein Pferd. Wir sehen was das Pferd sieht, der Zuschauer begleitet das Tier auf seinen strapaziösen Weg quer durch den Ersten Weltkrieg. Dabei wird eine tiefe Zuneigung für den tierischen Protagonisten aufgebaut, welche man selten so erlebt hat. Wer hat denn jemals ein Pferd so gekonnt in Szene gesetzt? Von Fury mal abgesehen... Zusätzlich stimmt in War Horse von der technischen Seite her sehr viel. Spielberg ist nun mal ein Gütesiegel-Regisseur, und zusammen mit seinem langjährigen Kameramann Janusz Kaminski lässt Spielberg War Horse richtig gut aussehen. Die Kameraarbeit, -fahrten und -einstellungen sind hervorragend und voller Energie, die Beleuchtung stimmt von vorne bis hinten. Was sich nun etwas absonderlich liest, lässt sich aber leider nicht anders ausdrücken: Spielberg kann Krieg. Das hat er in Saving Private Ryan bewiesen und tut es in beeindruckender sowie nachhaltiger Weise auch in War Horse. Und dann wäre da noch ein John Williams, einer der größten Komponisten Hollywood's, verantwortlich für die denkwürdige musikalische Untermalung in Star Wars, Indiana Jones etc., welcher auch in War Horse einen epochalen Score abliefert. Summa summarum, War Horse ist wirklich richtig gut gemacht.

Die menschlichen Darsteller werden zwar von ihrem tierischen Pendant in den Hintergrund gedrängt, doch füllen sie ihre Art Nebenrollen (den jungen Engländer Jeremy Irvine in der Rolle des Albert als menschliche Hauptfigur ausgeschlossen) sehr gut aus. Es gibt eine Vielzahl an facettenreichen Charakteren, die einen sympathisch, die anderen eher weniger. Die Besetzung an sich ist stark, Spielberg hat sich viele bekannte Leute mit ins Boot geholt, ob schon ein großer Star (Tom Hiddleston, Benedict Cumberbatch), altehrwürdige englische Theater-Schauspiel-Elite (David Thewlis, Liam Cunningham) oder viel versprechende Talente (Jeremy Irvine, David Kross).

Am Ende sollte man bestenfalls die Botschaft verstehen, welche einen Spielberg übermitteln wollte bzw. möchte. Als sich das arme Pferd auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs im Stacheldraht verfängt und ein englischer als auch ein deutscher Soldat es gemeinsam befreien, wird es zwar wieder gefühlsvoll, unfreiwillig komisch, aber auch deutlich, worauf der Altmeister es abgesehen hatte. Zu so einer Geschichte gehört ein Happy End und man bekommt eines, dass rührseliger und klischeehafter nicht sein könnte. Dennoch, ich bleib dabei, ich habe schon schnulzigere Sachen im Kino gesehen. Wer in der Lage ist, über ein paar ausladend theatralische Momente hinüberwegzusehen, sich mit einer einfachen und abwechslungsreichen Geschichte anfreunden kann und sich von der exzellenten Machart von War Horse überzeugen lassen möchte, der sollte es wagen. Man darf nicht zu viel erwarten, dass hat mir in der Wahrnehmung des Films sehr geholfen. Denn dann kann vielleicht mit einem wirklich mehr als positiven Gefühl das Kino verlassen. Und ich verspreche euch, in einer Szene bleibt selbst dem größten Nörgler die Spucke weg. Versprochen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen